32. SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Matthäus (23,1-13)

Man denkt über sein Leben nach, besonders in schwierigen Zeiten. Wozu lebe ich? Welches Ziel hat mein Leben? Da sind mir die Worte eines großen Theologen eingefallen, der gesagt hat: „Gott, unser Schöpfer, hat der Welt und ihrer Geschichte ein Ziel gesetzt, das er selbst ist“. Habe ich das Ziel meines Lebens, meine tiefste Lebenserfüllung erreicht, wenn ich bei Gott ende, endgültig mit ihm verbunden bin, in seiner neuen Welt, im Reich Gottes?

Im Grunde genommen hat Jesus das immer wieder gesagt, indem er in vielen Bildern und Gleichnissen über das Reich Gottes sprach, so wie auch heute: „ Dann wird es mit dem Himmelreich, dem Reich Gottes, sein wie mit zehn Jungfrauen...“ Oft redet er über unser endgültiges Ziel mit dem Bild eines Festmahls, z.B. eines Hochzeitsmahles. Wir sind von Gott zu einem Fest, einem Hochzeitsfest eingeladen. Um das verstehen zu können, müssen wir versuchen uns in die Zeit von Jesus hinein zu versetzen: Welche Bedeutung hatte damals eine Hochzeitsfeier?

Die Hochzeit war ein entscheidendes, ja das entscheidende Ereignis im Leben der Menschen in Israel. Eine Hochzeitsfeier dauerte oft mehrere Tage und in ländlichen Verhältnissen nahmen das gesamte Dorf und viele Gäste daran teil. Eine Hochzeit war eine öffentliche Angelegenheit. Für die Braut bedeutete die Hochzeit eine Wende in ihrem Leben, wie wir sie uns heute kaum mehr vorstellen können: Sie bedeutete die Trennung von der eigenen Familie und den Übertritt in die fremde Familie des Mannes. Deswegen auch die feierliche Heimholung der Braut durch den Bräutigam.

Dass sich der Bräutigam bei dieser Heimholung verspätet, ist kein Zufall. Es konnte zu den Hochzeitsbräuchen gehören, dass der Zug des Bräutigams zum Haus der Braut immer wieder aufgehalten wurde - und zwar durch die Familie der Braut. Dabei ging es nicht mehr um das Aushandeln der Brautgabe. Die war längst übergeben, und damit die Ehe rechtlich geschlossen. Vielmehr wurde bei diesen Aufenthalten um zusätzliche kleinere Geschenke gefeilscht nach dem Prinzip: Je schöner und wertvoller die Braut, desto zahlreicher die Geschenke an den Clan der Braut.

Die Verspätung des Bräutigams kein Zufall - die Ehrenjungfrauen wussten das ganz genau. Sie haben damit rechnen müssen, dass es bis zum Kommen des Bräutigams lange dauern würde. Wollten sie ihrem ehrenvollen Amt gerecht werden, mussten sie genügend Öl dabeihaben, um ihre Fackeln immer wieder zu tränken. Es ist sogar damit zu rechnen, dass die Fackeln, die sie vom Festzug in das Haus des Bräutigams mitbrachten, auch dort noch zur Festbeleuchtung in Fackelhaltern weiter brannten.

Die Rolle der fackeltragenden Freundinnen der Braut darf man nicht unterschätzten. Sie waren von großer Bedeutung für das Fest. Kämen alle mit ausgebrannten Fackeln an, wäre das eine tiefe Schande für die Braut und Anlass zu jahrelangem Gerede im Dorf. Ein Brautzug ohne brennende Fackeln muss eine Katastrophe gewesen sein. Die Ehre des Hochzeitspaares stand auf dem Spiel. Deswegen: Hätten die klugen Jungfrauen ihr Öl mit den anderen geteilt, wären vielleicht auch ihre Fackeln ausgegangen. Jetzt haben sie das Fest gerettet.

Was will Jesus mit diesem Gleichnis sagen? Was von den zehn Mädchen, von uns, gefordert wird, ist Verantwortungsgefühl und Wachsamkeit. Wir dürfen unser Ziel, das endgültige Fest mit Gott nicht verpassen durch Sorglosigkeit, Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit oder Schlamperei. Wir müssen unsere Fackeln, unseren lebendigen Glauben, unser Verlangen nach Gott, brennend halten. Wir müssen diesen Glauben deswegen immer wieder nähren, so wie eine Fackel immer wieder Öl braucht um bleibend brennen zu können. Wir müssen unseren Glauben pflegen, uns um ihn kümmern, damit er in unserem Herzen brennen bleibt, damit unsere Beziehung zu Gott nicht erlischt. Denn: Es geht um sehr viel. Es geht um das größte Fest des Lebens mit und bei Gott. Das ist unser Lebensziel.

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